Nach monatelangen Verhandlungen hat der Bundestag am 21.03.2019 das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) beschlossen, das bereits in Kraft getreten ist. Es ist also höchste Zeit für Unternehmen sich damit auseinanderzusetzen, was das neue GeschGehG für den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse bedeutet und welcher Handlungsbedarf besteht.
Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses
Bisher existierte in der Europäischen Union kein einheitliches Recht, was dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen diente. In Deutschland waren Geschäftsgeheimnisse vor allem nach § 17 UWG geschützt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) galt als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis jede im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig sondern nur einem begrenzten Personenkreis bekannt war und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollte.
Nach der Definition in § 2 Nr. 1 GeschGehG ist hingegen ein Geschäftsgeheimnis eine Information,
- die geheim ist (nicht allgemein bekannt bei Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, und nicht ohne weiteres zugänglich),
- die von wirtschaftlichem Wert ist (geschützt wird nur ein wirtschaftliches und kein privates Geheimhaltungsinteresse),
- die mit angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt wird und
- bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Maßnahmen, die der Geheimhaltung dienen, sind daher nach momentan geltendem Recht nicht mehr nur notwendig, um tatsächlich dem Verlust von Geschäftsgeheimnissen entgegenzuwirken, vielmehr gilt jetzt: Werden keine angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen, liegt schon gar kein Geschäftsgeheimnis vor und der Schutz des GeschGehG greift nicht.
Wie sehen angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen aus?
Wann Geheimhaltungsmaßnahmen den Umständen nach angemessen im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Die wirtschaftliche Bedeutung ist hierbei das wichtigste Kriterium für ein Geschäftsgeheimnis des Unternehmens. Handelt es sich vorliegend um die „Kronjuwelen“, deren Offenlegung oder Nutzung durch Wettbewerber existenzbedrohend sein könnte? Oder geht es um Geheimnisse, die zwar wichtig für das Unternehmen sind, aber in ihrer Gesamtheit doch eher untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung haben? Je wichtiger ein Geschäftsgeheimnis für das Unternehmen ist, desto striktere Schutzmaßnahmen müssen ergriffen werden, damit diese als angemessen gelten können. Im Übrigen ist es wohl verfehlt, alle geheimhaltungsbedürftigen Informationen mit der höchsten Geheimhaltungsstufe zu versehen und mit besonderen Sicherungsmaßnahmen zu schützen. Insbesondere müssen die Geheimhaltungsmaßnahmen und der damit einhergehende Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses stehen. Von einem Konzern könnten zudem möglicherweise striktere Geheimhaltungsmaßnahmen verlangt werden, als von einem mittleren oder kleineren Unternehmen. Was genau „angemessener Schutz“ bedeutet, wird daher noch durch die Rechtsprechung zu konkretisie-ren sein.
Wie verhält es sich jetzt mit dem Reengineering?
Ein Reengineering – mithin der Nachbau eines Produktes – um ein Nachvollziehen von Geheimnissen oder vielmehr deren Entschlüsselung zu ermöglichen, wird nach momentaner Rechtslage in Zukunft – zumindest teilweise – zulässig sein!
Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich nun bei Geheimnisverletzungen?
Der Inhaber eines verletzten Geschäftsgeheimnisses hat nach der neuen Gesetzeslage dieselben Ansprüche wie etwa der Inhaber eines verletzten Patents. Konnte bisher vom Verletzenden lediglich Schadensersatz, Unterlassung und Auskunft verlangt werden, wird der „juristische Werkzeugkasten“ nun etwa auch um Ansprüche auf Vernichtung verletzender Produkte, Herausgabe, Rückruf sowie dauerhafte Entfernung der verletzenden Produkte aus dem Markt erweitert. Dies ist eine erhebliche Besserstellung von Inhabern verletzter Geheimnisse.
Wie steht es nun um das „Whistleblowing“?
Der Schutz von sog. Whistleblowern und Journalisten, die Geschäftsgeheimnisse im Rahmen ihrer Veröffentlichung von Missständen in Unternehmen offenlegen, war einer der wesentlichen Gründe für komplexe Diskussionen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in Deutschland. Im Ergebnis einigte man sich auf einen hohen Whistleblower-Schutz.
Solange sich die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses durch den Whistleblower zum Schutz des öffentlichen Interesses eignet, macht er sich im Falle eines Geschäftsgeheimnisverrats nicht strafbar. Was auch dies im Einzelnen bedeutet, bleibt weiter – insbesondere mit Blick auf die Rechtsprechung – abzuwarten.
Was müssen Unternehmen jetzt tun?
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen nach dem GeschGehG ist nicht verpflichtend, anders als etwa die Vorgaben der DS-GVO umzusetzen. Dennoch müssen Unternehmen handeln, um ihre Geschäftsgeheimnisse zu schützen und sich im Streitfall auch durchsetzen zu können.
Wir empfehlen ein 3-stufiges Konzept:
Zunächst sollten alle Geschäftsgeheimnisse im gesamten Unternehmen identifiziert werden. Anschließend sollten in einem zweiten Schritt alle Geheimnisse bewertet und kategorisiert werden.
Je nach Wichtigkeit des Geschäftsgeheimnisses sind in einem dritten Schritt entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen. Schutzmaßnahmen sind jedoch keinesfalls nur rechtlicher Natur. Neben vertraglichen Vereinbarungen, Compliance-Maßnahmen und Arbeitsanweisungen sind auch technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, vor allem sollte hier eine Mitarbeiter-Sensibilisierung sowie die Verbesserung der IT- und Werkssicherheit stattfinden. Dies ist – wie bei der Umsetzung des Datenschutzes oder der Informationssicherheit im Unternehmen – nur unter Einbeziehung verschiedenster Abteilungen sowie Fachrichtungen im Unternehmen umsetzbar. Entscheidende Werkzeuge für den Erfolg einer Umsetzung können hier wiederum ein Datenschutz- oder Informationssicherheitsmanagementsystem sein.
Ergebnis
Sie müssen jetzt handeln! Unternehmen, die ihre Geheimnisse auch zukünftig schützen möchten und vor allem entsprechende Ansprüche durchsetzen wollen, sind jetzt gefordert, angemessene Schutzmaßnahmen zu ergreifen und zu dokumentieren!